Mythen und Missverständnisse
  • Die Menschen des Mittelalters glaubten die Erde sei flach. Diese Meinung ist entgegen landläufiger Ansicht eine moderne und wird durch historische Quellen nicht gestützt. Die bekannteste Abbildung, welche oft als symbolischer "Beweis" herangezogen wird, ist der Holzstich von Flammarion, der jedoch aus dem Jahr 1888 stammt und deshalb keinerlei Aussagekaft besitzt. Die Behauptung, Menschen des Mittelalters glaubten dass die Erde flach sei, taucht zum ersten Mal in der ersten Hälfte des 19 Jahrhunderts auf und ist somit für das Mittelalter nicht als historisch zu betrachten. Vor allem Washington Irving trug wesentlich zur Festigung des o.g. Mythos bei durch seine Columbus-Biografie, wo er aus literarischen Gründen den Matrosen unterstellte sie hätten Angst vom Rand der "Erdenscheibe" herunter zu fallen. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die im Mittelalter bekannten Ideen des Aristoteles sowie das Ptolemäische Weltbild die Erde als eine Art Sphäroid lehren, war die Vorstellung einer "Erdenscheibe" für die Gelehrten des Hochmittelalters an sich untragbar.

  • Menschen im Mittelalter waren ungebildet, rückständig und abergläubisch. Diese Vorstellung trifft nur bedingt zu (schichtenabhängig). Werke bedeutender Autoren entstanden im Mittelalter, etwa jene von Thomas von Aquin, Meister Eckhart, Roger Bacon, Albertus Magnus u. v. a. Die Gründung von Universitäten, der Ausbau der Städte, technologische Fortschritte (z.B. die Erfindung der Brille) sowie umfangreiche zeitgenössische Überlieferungen widersprechen der Annahme eines "barbarischen" Mittelalters. Die so häufig genannte Hexenverfolgung war v.a. ein Phänomen zwischen dem 15. und 17. Jahrhundert - und somit eine Erscheinung der Renaissance und bzw. der Neuzeit und nicht des Mittelalters.

  • Gewalt, Krieg und Seuchen waren allgegenwärtig, die Lebenserwartung war gering. Obwohl es in Europa zwischen 500 und 1500 zahlreiche Kriege gab, gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass diese mit größerer Brutalität oder Rücksichtlosigkeit als in der Neuzeit geführt wurden. Außerdem ist in der Zeit zwischen dem 12. und 14. Jahrhundert ein deutliches Bevölkerungswachstum sowie eine Ausbreitung des Siedlungsgebietes feststellbar, was auf die günstigeren Klimabedingungen zurückzuführen ist. Die kleine Körpergröße der Menschen im Mittelalter ist eine weit verbreitete, heute jedoch weitgehend widerlegte Annahme. Untersuchungen an Skeletten in den letzten Jahrzehnten haben ergeben, dass die durchschnittliche Körpergröße des mittelalterlichen Menschen vergleichbar ist mit der durchschnittlichen Größe der Menschen zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Europa erlebte im Hochmittelalter eine ausgeprägte Wärmeperiode, im Süden Englands wurde Wein angebaut. Erst im 14., 15. Jahrhundert verschlechterte sich das Klima zur sogenannten „Kleinen Eiszeit“, die damit verbundene Nahrungsumstellung und teilweise Mangelernährung wirkte sich in den darauffolgenden Jahrhunderten auf die durchschnittliche Körpergröße aus. Auch die Betrachtung der Pest als typisch mittelalterliche Erscheinung ist eine Vorstellung der Moderne: Zwischen der Justinianischen Pest und der spätmittelalterlichen Pandemie lagen vom 8. bis zum 14. Jahrhundert mehr als 500 "pestfreie" Jahre. Im Früh- und Hochmittelalter spielte die Pest als Massenseuche in Europa praktisch keine signifikante Rolle.

  • Bauern und die niederen Stände mussten ständigen Hunger, Kälte und unmenschliche Arbeit erdulden. Das Bild vom geschundenen Bauern in zerlumpter Kleidung erfuhr ihre größte Popularität in der filmischen Darstellung des Mittelalters. Historisch gesehen war das Leben der niederen Stände jedoch deutlich vielseitiger und weniger entbehrungsreich als heute oft angenommen wird. Die Ernährung war ebenfalls keineswegs durchgängig so schlecht, dass es die Menschen an den Rand des Verhungerns brachte (siehe dazu: Esskultur des Mittelalters). Während der mittelalterlichen Warmzeit waren Missernten viel seltener als später, was den sozialen und technologischen Ausbau sowie die Expansion der Siedlungsräume ermöglichte.

  • Abwesenheit der Körperhygiene. Zahlreiche Badehäuser sind in mittelalterlichen Städten archäologisch belegt, genauso wie zeitgenössische Schriften, in denen eindeutig zu ausgedehnter Körperpflege und Hygiene gemahnt wird (z. B.: Passionibus Mulierum Curandorum von Trotula sowie Regimen Sanitatis Salernitanum aus dem Umfeld von Schola Medica Salernitana und Compendium Medicinae von Gilbertus Anglicus). Anderweitige historische Überlieferungen zeugen außerdem von ausgeprägter Badelust der gehobener Schichten.Wie auch zu anderen Zeiten und in anderen Ländern war Hygiene eine persönliche Angelegenheit, die mit Sicherheit auch von der gesellschaftlichen Schicht abhängig, unterschiedlich extensiv praktiziert wurde. Besonders im nördlichen Europa finden sich seit dem Frühmittelalter hölzerne Badehäuser und Dampfbäder welche bis heute in Skandinavien und Osteuropa verwendet werden.

  • Willkür, Folter und Hinrichtungen waren an der Tagesordnung. Entgegen der weitläufigen Meinung ist im 16 Jahrhundert der eigentliche Höhepunkt der Hexenverfolgung anzubringen. Bereits der Sachsenspiegel, ein bedeutender hochmittelalterlicher Rechtscodex, offenbart wohlstrukturierte Rechtsverhältnisse welche große Teile des Lebens regeln. Eine besondere Rechtlosigkeit des Bürgers und des Bauern ist angesichts der feudalen Strukturen sowie der damals sehr wohl bestehenden Rechtsordnung nicht zutreffend.

    Quelle: Wikipedia


 
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